GIETHOORN – Wer heute durch den Dorfgracht des niederländischen Dorfes Giethoorn fährt, erlebt Ruhe, Gemütlichkeit und Schönheit. Doch unter diesem stillen Wasser liegt eine Geschichte harter Arbeit. Hier wurde Torf gestochen, Vieh gehalten und Schilf geschnitten. Boote voller Torf, Kühe und Heu bestimmten jahrhundertelang den Rhythmus des Dorfes. Die Einwohner transportierten ihre Ladung in hölzernen „Puntern“, Flößen und größeren „Bokken“, die von Hand durch das Wasser gestoßen wurden.
Vom Holz zum Torf
Schon vor dem 17. Jahrhundert wurde im kleinen Maßstab Torf gewonnen. Der Übergang von Holz zu Torf als Brennstoff begann um 1499, als ein Verbot des Baumfällens erlassen wurde – der Beginn des Torfabbaus.
Die Gewinnung in Giethoorn begann am Ostufer des Giethoornse Meeres – eines natürlichen Sees in der Kop van Overijssel – und wurde energisch betrieben. Manchmal zu energisch: Es blieb zu wenig Land übrig. Wind und Sturm spülten es fort, wodurch Teiche und Seen entstanden, die sogenannten „Wieden“. So entstand auch das bekannte Bovenwijde.
Das goldene Zeitalter des Torfs
Im 17. Jahrhundert nahm der Torfabbau größere Formen an. Torf als Energiequelle war eine der Säulen des holländischen Wohlstands während des Goldenen Zeitalters. Auch Torf aus Giethoorn wurde über Blokzijl und die Zuiderzee nach Amsterdam transportiert.
Die Bewohner stachen so viel Torf und legten Wasserwege für den Abtransport an, dass viele Häuser auf kleinen Inseln standen. Später verband man diese „Hauspolen“ mit Stegen und hohen Holzbrücken. Der Torfabbau bildete über Jahrhunderte die Grundlage des Dorfes – im wahrsten Sinne des Wortes. In dieser Zeit war die Landwirtschaft nur eine Nebentätigkeit.
Neue Techniken der ‘Gietersen’
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts trat der Torfabbau in Giethoorn allmählich in den Hintergrund. Viele Torfstecher zogen in andere Moorgebiete, etwa nach Südfriesland, wo sie ihr Wissen weitergaben. Dort führten die „Gietersen“ (Torfstecher aus Giethoorn, Kalenberg und Wanneperveen) eine neue Methode ein: Mit einer Baggerbeugel wurde Torf unterhalb des Grundwasserspiegels herausgeschöpft, in Kisten gemischt und an anderer Stelle getrocknet.
Neue Zeiten
In Giethoorn selbst erhielten die Grachten, einst für den Torftransport gedacht, eine neue Funktion in der Landwirtschaft. Um die Felder östlich des Bovenwijde zu erreichen, blieben Boote unentbehrlich. Hohe Holzbrücken mussten Platz bieten für die hochbeladenen „Bokken“ mit Heu oder Vieh. Im 18. und 19. Jahrhundert entstanden neue Einkommensquellen: Schilf- und Dulenschneiden, Fischerei, aber auch der Betrieb einer Kneipe, Jagd oder Wilderei.
Langsam entdeckten Künstler, Schriftsteller und Reisende das Dorf.
So kamen schließlich die Touristen – und Giethoorn wandelte sich von einem Dorf der Arbeit und des Überlebens zu einem Dorf der Ruhe und des Erlebens: dem Wasserdorf, das heute weltweit bekannt ist.


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